Angesichts verschiedener Krisen wirbt der Aachener Bischof Dieser für Kraft und Zuversicht aus dem Evangelium – dem gleichen Evangelium, das auch für den Heiligen Liudger schon die Grundlage seines Glaubens gewesen sei. Hunderte Gläubige feierten mit Dieser und Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck am Sonntag das Ludgerus-Fest, das auf ein 895 Jahre altes Gelübde zurückgeht.
Der Aachener Bischof Helmut Dieser hat bei der Ludgerus-Prozession in Essen-Werden am Sonntag, 3. September 2023, dafür geworben, trotz aller Krisen und schwierigen Reformdiskussionen in der Kirche nicht zu verbittern, sondern Kraft und Freude aus dem Glauben an Jesus Christus zu ziehen. „Wie der Weg der Kirche in unserem Land weitergeht, weiß keiner von uns. Doch der Glaube an das Kreuz unseres Herrn und seine alleinige erlösende Kraft bewahrt uns davor, bitter zu werden, hart zu werden, depressiv oder mutlos nur das Ende herbeizureden“, so Dieser. Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck hatte seinen Aachener Amtskollegen als Gastprediger zur diesjährigen Ludgerus-Prozession eingeladen. Der in Werden verehrte Heilige Liudger habe einen solchen Glauben und eine daraus erwachsende Kraft gehabt, betonte Dieser in seiner Predigt: „Sie hat ihn geschmeidig gemacht und widerstandsfähig. Mehrfach musste er in seinem Leben fliehen und neu anfangen. Doch nie hat er seinen Auftrag fallen lassen oder nicht mehr wieder erkannt.“
Gelübde als Dank für die Abwehr einer Hungersnot
Bei sonnigem Spätsommerwetter folgten hunderte Gläubige dem Schrein mit den Gebeinen des Heiligen Liudger, den die Menschen in Werden seit dem Jahr 1128 einmal jährlich durch ihre Straßen tragen. Wollten die Gläubigen und die Mönche, des gut 300 Jahre zuvor von Liudger gegründeten Klosters mit dem Gelübde einer jährlichen Prozession seinerzeit für die Abwehr einer Hungersnot danken, lebt die Tradition auch 895 Jahre später in dem an der Ruhr gelegenen Essener Stadtteil fort. Nach der Messe in der Basilika zog die Prozession durch die Altstadt von Werden zu einer Statio an der Evangelischen Kirche und von dort wieder zurück zur Ludgerus-Basilika.
Bischof Dieser schlug in seiner Predigt einen Bogen von Liudger zu dem im Aachener Dom begrabenen Kaiser Karl dem Großen – und immer wieder in die Gegenwart. Liudger und Karl seien ein Geburtsjahrgang – 742 – gewesen. Der erfolgreiche Missionar Liudger hätte seinerzeit „den Weg zum Herzen des Volkes“ gefunden, zitierte Dieser den verstorbenen Benediktiner-Pater Basilius Senger – erst durch Liudger seien die Friesen und Sachsen in den zuvor von Karl eroberten Gebieten zum christlichen Glauben gekommen. Liudger habe das selbe Evangelium gehabt, wie die Christinnen und Christen heute. Er sei überzeugt davon, betonte Dieser, dass dieses Evangelium, das Liudger in seiner Epoche zu einem so liebenswürdigen Heiligen gemacht habe, auch heute die Kraft gebe, „uns geistlich jugendlich zu machen, die Kirche in einer neuen Epoche nicht zu Grabe zu tragen, sondern zu verjüngen“.
„Reformen, die aus Glauben und aus Loslassen kommen, sind österlich und erlösend“
Dieser empfahl, um Reformen für die Kirche zu ringen und um neue Wege für die Seelsorge, für die Verkündigung und die Diakonie, den Gottesdienst und die Gemeindeformen, ohne darüber zu verbittern, ohne alles schon zu wissen; immer im Glauben daran, dass Jesus durch den Tod hindurch das Leben neu gemacht habe. „Reformen, die aus Glauben und aus Loslassen kommen, sind österlich und erlösend“, hob Dieser hervor. „Retten und Bewahren, das uns ans Eigene und Bisherige fesselt, ist tödlich und führt zum Verlieren.“
„Seien wir aus diesem österlichen Glauben heraus heute gelassene, zuversichtliche Menschen!“, rief Dieser den Gästen des Ludgerusfests zu. „Seien wir freundlich und gütig zueinander und zu unseren Zeitgenossen.“ Dabei sei eine solche Haltung nicht nur in der Kirche wichtig, „sondern auch in den vielfältigen Krisen und Umbrüchen, Radikalisierungen und Polarisierungen unserer Gesellschaft.“ (tr)