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Gemeinden gründen „ökumenische Wohngemeinschaft“

Gemeindeleiterin Petra Cruse und Propst Jürgen Schmidt erhalten von der evangelischen Jona-Gemeinde ein Weihwasserbecken, das künftig für die katholischen Gläubigen am Eingang der Jona-Kirche aufgehängt wird. Fotos: Alexandra Becker | Bistum Essen
Gemeindeleiterin Petra Cruse und Propst Jürgen Schmidt erhalten von der evangelischen Jona-Gemeinde ein Weihwasserbecken, das künftig für die katholischen Gläubigen am Eingang der Jona-Kirche aufgehängt wird. Fotos: Alexandra Becker | Bistum Essen

Nach dem letzten Gottesdienst in der Christi-Himmelfahrt-Kirche sind die Gläubigen der katholischen St.-Kamillus-Gemeinde am Pfingstsonntag in die benachbarte evangelische Jona-Kirche gezogen. In der „ökumenischen Jona-Kirche“ gibt es künftig sowohl katholische wie evangelische Gottesdienste. Auch das katholische und das evangelische Gemeindeleben soll immer stärker zusammenwachsen. 

Für Wohnungsumzüge ist das lange Pfingstwochenende ja durchaus beliebt. Im Essener Süden sind am Pfingstsonntag gleich ein paar hundert Menschen umgezogen. In einer letzten feierlichen Messe hat sich die katholische St.-Kamillus-Gemeinde im Stadtteil Fischlaken von ihrer Kirche Christi Himmelfahrt verabschiedet, um nach einem gemeinsamen Fußweg einen knappen Kilometer weiter bei der Jona-Kirche der Evangelischen Kirchengemeinde Essen-Heidhausen einzuziehen. Gemeinsam wollen evangelische und katholische Christinnen und Christen dort künftig in einer „ökumenischen Wohngemeinschaft“ beten, feiern und ihr Gemeindeleben gestalten. 

Konsequenterweise begrüßte Pfarrerin Carolina Baltes die katholische Gemeinde denn auch nicht mehr in der evangelischen, sondern in der „ökumenischen Jona-Kirche“: „Wir freuen uns riesig, dass Sie hier zuhause sein wollen“, rief sie den katholischen Gläubigen zu, als sich diese am Sonntagmittag nach der Abschiedsmesse in Christi-Himmelfahrt und der kleinen Prozession in der Jona-Kirche niedergelassen hatten. Wenig später wurde das „Zusammenziehen unter einem Dach“ besonders eindrücklich: Pfarrer Klaus Baltes überreichte Propst Jürgen Schmidt, Pfarrer der Pfarrei St. Ludgerus, und Petra Cruse, Leiterin der Kamillus-Gemeinde, die Schlüssel der Jona-Kirche. 

„Maria zieht nächste Woche ein.“ 

Und damit nicht genug: In den kommenden Wochen wird der Gottesdienstraum an der Heidhauser Straße noch ein wenig umgestaltet, damit sich die neuen katholischen Mitbewohnerinnen und Mitbewohner möglichst heimisch fühlen: „Maria zieht nächste Woche ein“, kündigt Pfarrer Baltes an – samt Opferkerzenständer. Für die Reliquien des katholischen Pfarrpatrons Ludgerus wurde ebenso ein Platz ausgesucht wie für die Tauf- und Bestattungsbücher aus Christi Himmelfahrt. Selbst ein Tabernakel – ein edles Schränkchen, in dem nach einer katholischen Messe geweihte Hostien aufbewahrt werden – wird künftig in der Jona-Kirche ergänzt. Zudem machen die Gläubigen der Kamillus- und der Jona-Gemeinde die gleichen Erfahrungen wie alle, die schon einmal zusammengezogen sind: Manche Dinge hat man plötzlich doppelt: Am Sonntag standen also plötzlich zwei Osterkerzen im Altarraum. Und eine Krippe, die ebenfalls aus Christi Himmelfahrt herübergebracht werden soll, dürfte es auch in der Jona-Kirche schon geben. 

Ein Geschenk der evangelischen Gemeinde hat die neuen Mitbewohnerinnen und –bewohner besonders gerührt: Künftig wird auch ein Weihwasserbecken an der Kirchentür hängen, in das katholische Gläubige beim Betreten einer Kirche einen Finger tauchen, um sich dann in Erinnerung an ihre eigene Taufe zu bekreuzigen. „Als wir hier in der Kirche geschaut haben, was wir wo platzieren können, waren es Vertreter der Jona-Gemeinde, die uns gefragt haben, ob wir nicht auch noch ein Weihwasserbecken brauchen“, betonte Schmidt, als Cruse und er die hellblaue Schale mit dem Fisch aus der Jona-Geschichte von Pfarrer Baltes überreicht bekommen. 

Nicht nur Notlösung, „sondern sichtbares Zeichen der wachsenden Einheit“ 

So wird sich also auch für die evangelischen Christinnen und Christen künftig einiges ändern in der ihnen vertrauten Jona-Kirche, wenn diese künftig bestenfalls das geistliche Zuhause beider Gemeinden wird. Superintendentin Marion Greve betonte, dass dieses Projekt für sie nicht nur eine „Notlösung“ in Zeiten kleiner werdender Gemeinden und knapper werdender Finanzen ist, sondern vor allem „ein sichtbares Zeichen der wachsenden Einheit“. Pfarrerin Baltes betonte, das evangelische und katholische Christinnen und Christen die kirchliche Präsenz in Heidhausen und Fischlaken nur noch gemeinsam erhalten könnten – aber gemeinsam können es eben auch gelingen. Und Weihbischof Wilhelm Zimmermann, Bischofsvikar für die Ökumene im Bistum Essen, erinnerte an die erste ökumenisch genutzte Kirche in Essen, das evangelische Markushaus im Stadtteil Vogelheim. Dort würden jeweils an zwei Sonntagen im Monat evangelische, an den beiden anderen Sonntagen katholische und an möglichen fünften Sonntagen ökumenische Gottesdienste gefeiert. „Hier gehen Sie einen Schritt weiter!“, betonte Zimmermann und verwies auf die wöchentlichen Gottesdienste an jedem Sonntag – 10 Uhr evangelisch, 11.30 Uhr katholisch – und auf das Gemeindezentrum, das in Zukunft ebenfalls gemeinsam genutzt werden soll. Zudem haben im Jahreskreis viele ökumenische Feiern Tradition in Heidhausen und Fischlaken, die nun in der Jona-Kirche einen festen Platz finden. 

Abschiedsmesse mit Chor und Band und vielen Besucherinnen und Besuchern 

Vor dem Einzug in der Jona-Kirche haben die Katholikinnen und Katholiken eine letzte feierliche Messe in der Christi-Himmelfahrt-Kirche gefeiert: Mit Chor und Band und so vielen Menschen, dass selbst die Stehplätze knapp wurden. Hinter dem Altar hatten sie eine breite Fotowand mit unzähligen Erinnerungen an die 70-jährige Kirchengeschichte aufgehängt, die in der Woche vor Pfingsten an jedem Nachmittag geöffnet war. Ohnehin stand für die Gemeinde seit Jahren fest, dass der Kirchenstandort aufgegeben werden muss und nun vermarktet werden soll. Dennoch sei der Abschied „ein trauriger Anlass mit zahlreichen Erinnerungen und Emotionen“, hatte Gemeindeleiterin Petra Cruse zur Eröffnung des Gottesdienstes gesagt. „Vieles von dem, was jede und jeder von uns hier erlebt und erfahren hat, tritt noch einmal zu Tage.“ 

„Ökumenische Gemeinschaft als tragendes Netz für den christlichen Glauben“ 

In seiner Predigt verwies Weihbischof Zimmermann auf das Pfingstfest, das als Geburtsfest der Kirche gilt. Schon damals habe sich die junge christliche Kirche ständig weiterentwickelt. „Und wenn wir einmal genauer hinschauen, dann hat dieser Veränderungsprozess in unserer Kirche nie aufgehört.“ Er empfinde es als „ein großes Geschenk, dass in diesen Zeiten der Umbrüche, Abbrüche und Veränderungen, die ökumenische Gemeinschaft der Kirchen zu einem tragenden Netz für den christlichen Glauben in unserem Land werden kann und an verschiedenen Stellen auch schon ist“, betonte Zimmermann mit Blick auf Projekte wie die „ökumenische Wohngemeinschaft in Heidhausen und Fischlaken. 

Es war „ein Gottesdienst zwischen Abschied und Aufbruch“, wie Propst Schmidt es angekündigt hatte, zwischen der Freude des Pfingstfestes, die Chor und Band mit fröhlichen Liedern zum Ausdruck brachten, der Trauer über das Ende der Christi-Himmelfahrt-Kirche und den Aussichten auf den Neubeginn in der Jona-Kirche. Wie endgültig der Abschied in dem weißen Gotteshaus am Lürsweg war, wurde am Ende der Messe deutlich, als Propst Schmidt das Ewige Licht löschte, den Tabernakel öffnete und das Ziborium – das Gefäß mit den geweihten Hostien – entnahm. Dann löschte er auch die Altarkerzen und trug das Ziborium und damit für katholische Gläubige gewissermaßen Jesus Christus selbst aus der Kirche hinaus. Dabei zog er gemeinsam mit vielen Gläubigen an den Türgriffen vorbei, die ein Künstler beim Bau von Christi Himmelfahrt mit der Jona-Geschichte verziert hatte. „Vielleicht ein prophetischer Hinweis aus der Vergangenheit“, mutmaßte der Propst – und allemal ein passender Wegweiser in die „ökumenische Wohngemeinschaft“ der Jona-Kirche. (tr)