Basilika bleibt wegen Bauarbeiten über Weihnachten geschlossen

Fotos: Achim Pohl | Bistum Essen
Fotos: Achim Pohl | Bistum Essen

Baustaub statt Tannenduft, Hammerschläge statt Orgelklänge – und wo eigentlich ab dem Wochenende der Adventskranz stehen sollte, prägt jetzt ein großes Gerüst die Szenerie: In der St.-Ludgerus-Baslika in Essen-Werden müssen Advents- und Weihnachts-Gottesdienste in diesem Jahr ausfallen. Angesichts eines deutlich größeren Sanierungsbedarfs im 800 Jahre alten Gewölbe der ehemaligen Abteikirche dauern die im September begonnen Arbeiten nun bis in den Februar hinein – mindestens.

 

20 Meter über dem Altarraum liegt das derzeit größte Problem der Kirche, die als eines der wichtigsten spätromanischen Gotteshäuser des Rheinlands gilt: Große Risse klaffen im Gewölbe, selbst die Gewölberippen weisen Lücken auf. „Die Schäden sind noch größer als ich gedacht habe“, sagt Bauingenieur Burkhard Austrup, der seit mehr als zwei Jahrzehnten in der Basilika tätig ist und die Gewölbe vom Boden aus immer mal wieder mit dem Fernglas untersucht. „Aber solche Schäden sieht man eben erst, wenn man nah dran ist.“ In dem nun sichtbaren Ausmaß sind die Risse ein Zufallsfund: Eigentlich sollten mit dem großen Gerüst vor allem Arbeiten an der Außenseite der Kuppel – also gewissermaßen auf dem Dachboden der Kirche – unterstützt werden. Wäre alles planmäßig gelaufen, wären diese Arbeiten Ende November beendet gewesen. Aber aus der Nähe stellte sich die Situation dann eben deutlich dramatischer da als zunächst gedacht.

 „Da weiß man vorher nicht, was einen erwartet“

 

„Wir haben hier eine sehr alte Bausubstanz, etwa aus dem Jahr 1250. Wenn man an ein solches Projekt herangeht, weiß man vorher nicht, was einen erwartet“, sagt Martin Anders von der Bezirksregierung Düsseldorf. Er vertritt das Land Nordrhein-Westfalen, das aus historischen Gründen gemeinsam mit der Propsteipfarrei Eigentümerin der Kirche ist, aber die Baulast des sogenannten Patronatsgebäudes trägt, sprich: die Arbeiten zum Unterhalt der Kirche bezahlt. In Zeiten schwer kalkulierbarer Baukosten und angesichts möglicher weiterer Unwägbarkeiten ist Anders vorsichtig: Rund 200.000 Euro reine Bau- und weitere 20 Prozent an Baunebenkosten sind derzeit für das Projekt eingeplant.

 

Ein barocker Josef mit einem ziemlich großen Jesuskind

 

In dieses Budget ist auch die Restaurierung von Holzfiguren eingepreist, mit denen Restauratorin Sandra Meinholz beschäftigt ist: Mit Wattestäbchen und Pinseln reinigt sie einen großen Barock-Engel, der unter einem hellen Strahler wie auf einem OP-Tisch vor ihr liegt. Meinholz hat ihr Quartier auf der nördlichen Empore des Kirchenschiffs bezogen, fernab vom Staub über dem Altarraum. Dort ist sie nun von mehreren, rund 250 Jahre alten Holzfiguren umgeben, die sonst den Seitenaltar im südlichen Querhaus schmücken. Ein „Nebenprojekt“, wie Anders es beschreibt: Die Figuren waren noch nicht für eine Restaurierung vorgesehen, aber da man sie ohnehin abnehmen musste, bekommen sie nun eine außerplanmäßige Schönheitskur. Die sei „durchaus auch ökonomisch sinnvoll“, so Anders, spare man sich doch so in den nächsten Jahrzehnten womöglich ein eigenes Restaurierungsprojekt für diese Figuren. Zu dem Barock-Ensemble gehört auch ein Josef, der ein ziemlich großes und properes Jesuskind auf dem Arm trägt. Propst Jürgen Schmidt, Pfarrer der Ludgerus-Kirche, schmunzelt und sagt: „Alles eine Frage der Perspektive“. An ihrem Platz oben am Seitenaltar sehe die Figur durchaus stimmig aus.

 

Zurück auf dem Gerüst unter dem rissigen Gewölbe erklärt Nikolai Hartmann, Geschäftsführer der Firma Lehmkuhl Restaurierungen, das Problem: „Bei einer größeren Maßnahme in den 1950er Jahren hat man diese Risse im Gewölbe mit Zement aufgefüllt.“ Doch das Baumaterial der Wahl im Industrie- und Wirtschaftswunder-Zeitalter verträgt sich nicht gut mit den 800 Jahre alten Tuffsteinen aus der Vulkaneifel. Je nach Temperatur und Feuchtigkeit „dehnt sich Tuff minimal aus und wieder zusammen“, erklärt Hartmann. Der Zement bleibe dagegen fest. Also kratzen Hartung und ihr Team den rund 70 Jahre alten Zement zumindest aus den Fugen heraus, die Risse aufweisen. Anschließend sorgen sie mit Kalk-Verbindungen wieder für Stabilität – eine moderne Variante der Technik, mit der auch schon die gotischen Baumeister um das Jahr 1250 dafür gesorgt haben, dass der steinerne Kirchenhimmel der Gemeinde nicht auf den Kopf fällt.

Das Gewölbe verwittert auch unter dem Dach

 

Zusätzlich arbeitet die Firma Lehmkuhl auch von außen am Gewölbe: „Trotz des Kirchendachs hat die Festigkeit durch die Verwitterung über die vielen Jahrhunderte gelitten“, erklärt Hartmann. Deshalb tragen seine Leute eine Flüssigkeit auf das Gewölbe auf, die als reiner Quarz aushärtet. Eine Putzschicht soll dem Ganzen dann noch eine zusätzliche Wetterfestigkeit verleihen.

 

Die Pfarrei sei „ausgesprochen dankbar für die gute Kooperation mit der Bezirks- und der Landesregierung“, sagt Propst Schmidt – nicht nur bei der aktuellen Restaurierung, sondern auch in den vergangenen Jahren. Vor allem wegen des großen baulichen Aufwands haben man sich im Kirchenvorstand dafür entschieden, die Arbeiten nicht für die Weihnachtszeit zu unterbrechen, als feststand, dass diese nun deutlich länger dauern. Stattdessen feiert die Gemeinde ihre Gottesdienste nun in der St.-Lucius-Kirche auf der anderen Seite der Werdener Altstadt. Dort werden die Kirchenmitglieder zwar ein wenig zusammenrücken müssen, aber an historischer Umgebung mangelt es auch im Ausweichquartier nicht: In St. Lucius beten die Gläubigen sogar zwischen 1000 Jahre alten Mauern. Und zumindest das Osterfest soll die Gemeinde – Stand jetzt – auch wieder in der Ludgerus-Basilika feiern können. (tr)