Das Ludgerusfest des Jahres 2020 unter den Bedingungen der Corona-Pandemie wird der feiernden Gemeinde in der Basilika von Essen-Werden sicher lange im Gedächtnis bleiben. Denn niemals zuvor seit Menschengedenken ist die alljährlich am ersten Sonntag im September stattfindende „Umtragung der Gebeine des Heiligen Liudger“ geplant ausgesetzt worden. Lediglich bei starkem Regen – zuletzt im Jahr 2016 – hat man bislang auf die Prozession verzichtet, um den kostbaren Schrein nicht zu beschädigen.
Rund 1.000 Menschen säumen sonst beim Ludgerusfest die Straßen, die Ludgerus-Basilika fasst 500 Besucher. Aufgrund der Hygieneregelungen konnten jetzt nur 80 Plätze besetzt werden. Die Feiernden hielten die Abstände ein, freundlicher Blickkontakt galt als Friedensgruß, die Kommunion wurde in der Bank empfangen, und den Gemeindegesang ersetzte die von Solisten zur Orgel gesungene Messe in C-Dur von Charles Gounod. Zumindest online konnten dennoch mehr Menschen teilnehmen, denn das Kölner Domradio übertrug den festlichen Gottesdienst in voller Länge per Livestream. Um möglichst vielen Menschen die Verehrung des Ludgerus-Schreins zu ermöglichen, sorgten Ordner den weiteren Tag über für einen geordneten Zugang zur Kirche in kleinen Gruppen, bevor das Fest am Abend mit einer Vesper abgeschlossen wurde.
„Ich bin froh, dass wir das Fest heute feiern – aber die Hälfte fehlt“, kommentierte Bischof Overbeck die aktuellen Bedingungen des Ludgerus-Tages. Als Gast und Zelebranten hatte er den Mönch Laurentius Schlieker eingeladen. Der Altabt der münsterländischen Benediktinerabtei Gerleve lebt derzeit von April bis Oktober in Essen-Werden, weil er gemäß den Statuten seines Ordens nach dem Ausscheiden aus dem Leitungsamt ein halbes Sabbatjahr außerhalb des Klosters verbringt. In seiner Predigt zeichnete Schlieker den heiligen Liudger als einen Mann mit umfassender Bildung und Mut zu einem riskanten Leben: „Für Ludgerus war jeder Tag ein ‚Heute‘ – eine Einladung, weder an der Vergangenheit festzukleben noch vor der Unüberschaubarkeit der Zukunft zurückzuschrecken“, sagte der Altabt. Die Biographie des heiligen Liudger, der als Apostel der Friesen und Sachsen im 8. Jahrhundert, als erster Bischof von Münster und Gründer der Benediktinerabtei Werden einer der bedeutendsten Heiligen Europas ist, zeige, wie wichtig es sei, gemeinsam christliches Leben zu gestalten, sich gegenseitig zu unterstützen und zu inspirieren.
Mit Blick auf die zwei Tage zuvor stattgefundenen Regionenkonferenzen des „Synodalen Wegs“ der deutschen Kirche plädierte Bischof Overbeck ebenso wie Altabt Schlieker dafür, als Christen zusammenzubleiben und besonnen, mutig und nachdenklich die dort gesetzten Themen – Macht und Gewaltenteilung, Sexualität, priesterliche Existenz und Frauenfrage – anzugehen: „Diese Lebensthemen bewegen die Menschen dauerhaft. Und Lösungen finden sich oft erst am Ende eines Marathons.“ (cs)